4 Alvarus Thomas als Vermittler von Wissen

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10.34663/9783945561096-05

Citation

Trzeciok, Stefan Paul (2016). Alvarus Thomas als Vermittler von Wissen. In: Alvarus Thomas und sein Liber de triplici motu: Band I: Naturphilosophie an der Pariser Artistenfakultät. Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

Die Naturphilosophie oxfordscher Prägung war in der Renaissance an den Universitäten Westeuropas Gegenstand zeitgenössischer Diskussionen. Diese Diskussionen fanden einerseits im Bereich der universitären, oral orientierten Lehre statt, andererseits aber auch als schriftlicher Dialog in der damaligen wissenschaftlichen Literatur, die relativ schnell durch den Buchdruck und den Buchhandel an den Universitäten Europas Verbreitung fand. Der Liber de triplici motu ist Zeugnis für die Prozesse in beiden Bereichen. Die Rolle von Alvarus Thomas in der Wissenschaftsgeschichte ist daher vor allen Dingen die Rolle eines Vermittlers des Wissens der Oxforder Kalkulatoren.

Die Verankerung der spätmittelalterlichen Naturphilosophie in der akademischen Ausbildung sicherte ihre Bedeutung für die Frühe Neuzeit. Der Liber de triplici motu steht in dieser Hinsicht als Beispiel für die Kontinuität einer ursprünglich mittelalterlichen Diskussion über den Bewegungsbegriff in der Frühen Neuzeit hinein. In den Universitäten wurde der Wissensstand zur Bewegungslehre oxfordscher Prägung immer wieder bestätigt, repliziert und auch ausgebaut, ohne aber die konzeptuellen, aristotelischen Paradigmen allzu sehr herauszufordern beziehungsweise radikale Gegenmodelle zu finden. Das Wissen, das in der Tradition der Oxforder Kalkulatoren vermittelt wurde, lässt sich – wie im Glossar ausgearbeitet – begrifflich in die drei Bereiche aristotelische Naturphilosophie, euklidische Mathematik und scholastische Methodik teilen. Es legitimierte sich durch anerkannte Autoren (Autoritäten), die darauf Bezug nahmen, es ordneten, Widersprüche aufzeigten und Interpretationen wagten. Solches autorisiertes Wissen bildete die Grundlage der Lehre an den Universitäten und stand in dieser Zeit in hohem Ansehen. Folglich musste man neuartige Thesen gut und vor allen Dingen logisch begründen und am besten beim Anzweifeln der Meinungen dieser Autoritäten auch bereits auf Zweifel anderer angesehener Persönlichkeiten verweisen können. In dieser Hinsicht standen Alvarus Thomas eine Vielzahl an Werken etablierter Autoren zur Verfügung, auf die er zurückgreifen konnte.1 So konnten auch Einzelheiten von Aristoteles kritisiert werden, wie es Alvarus Thomas gelegentlich tut. Auf einer konzeptuellen Ebene wird der aristotelische Bewegungsbegriff jedoch nicht in Frage gestellt. Es findet auch keine Einschränkung des aristotelischen Bewegungsbegriffes auf Teilaspekte wie die lokale Bewegung oder die augmentatio im Liber de triplici motu statt. Drastisch gesprochen wäre Alvarus Thomas in dieser Hinsicht geradezu ein Repräsentant Kuhnscher Normalwissenschaften. Den Autor des Liber de triplici motu beschäftigte einerseits die Systematisierung des Bewegungsbegriffs und der Argumente umstrittener Ansichten und andererseits die formalen logisch-mathematischen Begründungen dieser Argumente, von denen er systematisch Korollare ableitete. Experimente spielten in der Tradition der Oxforder Kalkulatoren keine Rolle, Erfahrungswissen nur eine sehr geringe. Im Liber de triplici motu wird nur einmal auf die Evidenz von Erfahrungswissen Bezug genommen, und zwar in der Frage, ob beim Treideln von Schiffen bei einer Verdoppelung der Anzahl von Pferden durch die dadurch verdoppelte Zugkraft auch die Geschwindigkeit verdoppelt werden würde. (Es wird durch Erfahrungswissen verneint, obwohl die Aussage formal logisch bejaht wurde.)2 Diese Einstellung zur Wissenschaft, die mehr auf Kritik vorheriger als auf neuen Ansätzen zur Lösung von Problemenfällen oder auf konzeptuelle Gegenentwürfe setzte, wird in der Forschungsliteratur in der Formel omnia ad meliora zusammengefasst. Dieser Ausdruck ziert auch die letzte Seite des Liber de triplici motu. Auch bei Alvarus Thomas zeigt sich, dass er im Grunde keine neuen Fragen stellt, sondern die Ansätze der Oxforder Kalkulatoren und der ihr nachfolgenden Literatur darstellt, kommentiert und systematisiert. Dies bestätigt somit den Eindruck von Edith Sylla in ihrem Aufsatz von 1989, die das Werk von Alvarus Thomas als „continuation of the most characteristic form of the work of the Oxford Calculators“ beschreibt.3 Für die langfristige Entwicklung der Naturphilosophie zur Naturwissenschaft ist daher die Kontinuität der Auseinandersetzung mit der Tradition der Oxforder Kalkulatoren zu betonen, die sich durch das Verfahren der Quantifizierung, eine deduktive Logik und besonders durch die Mathematisierung der Naturphilosophie auszeichnet. Diese Mathematisierung erreichte in der Zeit von Alvarus Thomas eine neue Qualität. Das zeigt sich im Liber de triplici motu dadurch, dass in den mathematischen Beweisen der einzelnen suppositiones und conclusiones im naturphilosophischen Teil nicht nur einfache Rechenbeispiele mit vielfältigen Verhältnissen ausgewählt wurden, sondern häufig systematisch Rechenbeispiele mit vielfältigen, (vielfach) superpartikularen oder (vielfach) suprapartienten Zahlenverhältnissen herangezogen werden.

Wichtig ist es aber auch zu betonen, dass Alvarus Thomas nicht nur eine Rolle als Impulsgeber und Überträger naturphilosophischer oder teilweise davon getrennt mathematischer Konzepte spielte, sondern eben auch methodisches Wissen transferierte. Anneliese Maier hatte in Zusammenhang mit der Beschreibung der Formallatituden in der Mathematik der Kalkulatoren im 14. und 15. Jahrhundert das Quantifizierungsverfahren der Kalkulatoren als „spekulative Deduktion“ charakterisiert.4 Dieser logische Typus lässt sich extensiv bei Alvarus Thomas finden. Das Anlegen einer Formallatitude an eine Qualität eines Körpers – im lateinischen Text wird der Ausdruck latitudo verwendet – bildet den Ausgangspunkt für alle Quantifizierungen im Liber de triplici motu.5 Der Einfluss der mittelalterlichen Logik auf die durch Alvarus Thomas fortgesetzte Auseinandersetzung mit der Naturphilosophie nach Art der Oxforder Kalkulatoren zeigt sich auch in anderen Aspekten. Im dritten Teil des Liber de triplici motu, der sich mit der Bewegungslehre beschäftigt, wird dies anhand der Verwendung von Synkategoremata und der Wenn-Dann-Argumentationen besonders deutlich. Das logische Vokabular – wie es im Glossar dieser Arbeit zu finden ist – ist in allen dortigen quaestiones sehr präsent. Damit bestätigen sich Einschätzungen wie die von Raina Kirchhoff, die sich intensiv mit der Geschichte der Logik auseinandergesetzt hat. Sie schreibt, dass

„die Ergebnisse der Logik des Mittelalters insgesamt und die Ergebnisse der Beschäftigung mit den Synkategoremata im Speziellen von unmittelbarer Relevanz auch für andere Wissenschaftsbereiche dieser Zeit waren.“6

Die zeitgenössische Einschätzung der Verwendung solcher logischer Operatoren scheint aber durchaus zwiespältig und gefürchtet gewesen zu sein. Allerdings findet sich bei Alvarus Thomas wenig Polemik gegen die von Wallace als „subtleties“ bezeichneten Diskussionsansätze einiger Zeitgenossen, wie sie bei Juan de Celaya zu finden ist.7 Manche exempla im Liber de triplici motu könnte man eher als solche „subtleties“ bezeichnen. Alvarus Thomas verzichtet zudem auf Bemerkungen, dass man die Proportionslehre in Zusammenhang mit Quantifizierungen in alle möglichen wissenschaftlichen Bereiche übertragen könne, wie Richard Swineshead es in seinem Liber calculationum gleich am Anfang hervorhebt.8 Die Analyse des Adressatenbriefs an Pedro de Meneses im Liber de triplici motu bestätigt den Eindruck, dass es eine gewisse Angst vor Leuten gab, die den Ruf und damit die Autorität eines Gelehrten langfristig gefährden konnten.

Manche populären Vorurteile und die Geschichtsschreibung älterer Bücher sieht Religion und Wissenschaft im Mittelalter und der Renaissance häufig als sich einander ausschließende gegensätzliche Kräfte, wobei die Wissenschaft vor der wissenschaftlichen Revolution immer als von den kirchlichen Autoritäten unterdrückt und unselbstständig charakterisiert wird. Beispielsweise liest man solche Aussagen bei Karl Vorländer in seiner „Geschichte der Philosophie“ von 1911, wo es zur Naturphilosophie der Renaissance heißt:

„Am entschiedensten und für immer vollzog sich der Bruch mit dem Mittelalter auf dem Gebiete der Naturwissenschaft. Der Naturphilosophie der Renaissancezeit hafteten immer noch metaphysische, wenn nicht gar theologische Vorurteile an. Erst das siebzehnte Jahrhundert, das sogenannte wissenschaftliche Jahrhundert legt in der mathematischen Naturwissenschaft (Mechanik) den Grund zu einer rein kausalen Erkenntnis der Natur und befreit das wissenschaftliche Denken endgültig von dem kirchlichen Joche. Die moderne Philosophie ist nicht von den phantasiereichen Naturphilosophen, sondern von den Vertretern strenger naturwissenschaftlicher Methode begründet oder doch vorbereitet worden.“9

Es stimmt zwar, dass die Naturphilosophie der Renaissance metaphysische Grenzen hatte und auch auf verschiedenen Ebenen – institutionell wie auch metaphysisch – von der christlichen Religion geprägt war. Aus Gründen wie den Konflikten von Galileo Galilei mit der Kirche oder der Hinrichtung von Giordano Bruno durch die Kurie vernachlässigt man aber, dass die katholische Kirche bei gleichzeitiger Unterdrückung verschiedenster Ideen in der Renaissance einer der wichtigsten Förderer der Universitäten war und somit die Wissenschaften institutionell aufrecht erhielt. Dabei stand sie in Konkurrenz zum Adel und dem sich immer weiter entwickelnden Staatswesen. Die Kirche konnte bei entsprechender Begründung durch ihre eigenen Vertreter durchaus ihren Dogmen gegenläufige Schriften zum Unterricht zulassen. Ein solcher Prozess war im Hochmittelalter beispielsweise die Zulassung der aristotelischen Naturphilosophie für die Lehre an den Universitäten. Auch zeigt sich die mittelalterliche Naturphilosophie oxfordscher Prägung keineswegs als besonders „phantasiereich“ bezeichnet werden könnte, sondern vielmehr von Logik und Mathematik geprägt war. Sie bildete als shared knowledge theoretischer Art eine der Grundlagen jenes „sogenannten wissenschaftlichen Jahrhunderts“10. Man sollte eher betonen, dass die Naturphilosophie oxfordscher Prägung wie im Liber de triplici motu in weiten Teilen in der Bearbeitung des aristotelischen Bewegungsbegriffs ohne theologische oder metaphysische Argumentationen auskommt. Nur beim Teilaspekt der generatio und corruptio und deren causa prima stieß auch das aristotelische Bewegungsmodell in seinem teleologisch orientierten System an seine Grenzen, die nur mit der Allmacht Gottes näher erklärt werden konnten.11 Die konzeptuelle Situierung des Topos Bewegung nach Aristoteles in seiner oxfordschen Form, die sich vor allem auf sublunare Bewegungen bezog, scheint sich wenig an kirchliche Dogmen der Zeit von Alvarus Thomas gestoßen zu haben. Er selbst bezog nicht einmal in dem prominenten Streit zwischen Nominalisten und Realisten direkt Position, weshalb Sylla Alvarus Thomas auch als metaphysischen Minimalisten beschreibt. Letztendlich ist es aber zu kurz gegriffen, an dieser Stelle nur auf Basis des Liber de triplici motu und einer Darstellung des universitären Umfelds allzu viel Aussagen zu einem derart komplexen und ideologisch aufgeheizten Diskurs zu wagen wie über das Verhältnis zwischen Religion und Wissenschaft in der Renaissance.

Das mittelalterliche Wissen oxfordscher Prägung wurde von Alvarus Thomas in einer Zeit vermittelt, die nicht mehr als Mittelalter periodisiert wird. Am offensichtlichsten ist dieser Periodenübergang zur Frühen Neuzeit, wenn man den Wandel des Trägers der Schriftlichkeit von der Handschrift zum gedruckten Werk bedenkt. Unbestritten ist, dass der Buchdruck auch einen langfristigen Wandel der wissenschaftlichen Kultur nach sich zog, der in den letzten Jahren prominent von Elisabeth L. Eisenstein und Michael Giesecke dargestellt und besprochen wurde.12 Giesecke sprach von einer Entpersonalisierung der Wissensvermittlung und einer Auflösung der Face-to-face-Kommunikation im 16. Jahrhundert durch den Buchdruck.13 Beides ist – wie in den vorherigen Kapiteln zu sehen war – nicht so dichotomisch zu sehen, denn die mittelalterlichen oral-skriptographischen Lehrformen waren in dem sich entwickelnden typographischen Kommunikationssystem des 16. Jahrhunderts immer noch präsent.14 Und es ist auch eine gute Frage, ob man den Liber de triplici motu ohne die Anleitung eines regens als Magisteraspirant wirklich autonom lesen konnte. Giesecke sprach aber auch von Rückkopplungsprozessen auf die Buchproduktion durch schnelle Kritiken und von der Entstehung der Fachautorschaft. Diese Rückkopplungsprozesse sind in Anfängen im Liber de triplici motu zu erkennen.

Die Auseinandersetzungen von Alvarus Thomas mit Bassanus Politus lassen sich in diesem Sinn auch als Auseinandersetzungen zwischen Fachautoren interpretieren. Allerdings muss man einwenden, dass die Entstehung der Fachautorschaft nicht monokausal mit der typographischen Kultur in Verbindung gebracht werden kann, weil die Tradition der Kalkulatoren, die allesamt als solche Fachautoren wirkten, schon rund 100 Jahre vor der Erfindung des Buchdrucks begann.15 Vielmehr sollte man von einer weiteren Diversifizierung der Fachthemen sprechen, die in der Frühen Neuzeit einsetzte, einem Prozess, der wohl ökonomisch erst Sinn machte, als die Exemplarkosten einer neuen Schrift durch den Buchdruck gesenkt werden konnten. Aber gerade der Unterschied in der Art der Auseinandersetzung von Alvarus Thomas mit Oresme und Politus zeigen die Umbruchphase in der damaligen Wissenschaft. Während der alvarussche Diskurs mit Oresme deutliche Züge der mittelalterlichen Wissenschaftlichkeit trägt, wird Alvarus Thomas in Bezug auf Bassanus Politus zum neuartigen Kritiker. Allerdings kann sein vernichtendes Urteil über Politus nicht Gieseckes Kommentar bestätigen, dass „die Korrekturen [...] die Autorenehre nicht [schädigen]“.16 Das Vokabular von Alvarus Thomas, wenn er zu Bassanus schreibt, ist nämlich nicht nur sachorientiert, sondern greift auch „schamlos und fern von Vernunft“ die Person Bassanus Politus an.17

Ein anderer Punkt, der als Merkmal der typographischen Kultur stark gemacht wird, ist der vermehrte Einsatz von Bildern zur Veranschaulichung.18 Dies ist – wie gesagt worden ist – im Liber de triplici motu, der eher am Anfang des Prozesses entstanden ist, den Giesecke beschreibt, noch nicht der Fall. Zu erklären ist dies vor allem durch die von Alvarus Thomas am meisten verwendeten Literaturgattung: Die quaestio diente dem oral geprägten Universitätsbetrieb des angehenden 16. Jahrhunderts. Alvarus Thomas verwendete keine bewusst altertümliche, sondern eine damals übliche wissenschaftliche Literaturgattung, die an den Universitäten noch das ganze 16. Jahrhundert präsent war. Im 17. Jahrhundert wurde die quaestio auf der iberischen Halbinsel, in Italien und Schottland noch gepflegt. Erst in der Ende des 18. Jahrhunderts verschwindet diese Literaturgattung völlig aus dem Bereich der Wissenschaft.19

Durch den Buchdruck mit beweglichen Lettern konnte die Menge der vorhanden Literatur in einer Stadt ausgeweitet werden und ermöglichte den Studierenden so weitaus häufiger als vorher ein tiefgehendes Studium der aristotelischen Naturphilosophie, als wenn man nur auf das Wissen des vermittelnden doctor oder regens angewiesen war. Der Auf- und Ausbau von Bibliotheken in Kollegien für Studierende gestaltete sich einfacher und kostengünstiger. Zudem machten es der Buchdruck und der europaweite Handel möglich, dass sich neu entstandene Werke weitaus schneller als in der Zeit der Handschriften in Europa verbreiteten. Die Auseinandersetzung von Alvarus Thomas im Liber de triplici motu mit dem Werk von Bassanus Politus, dessen Schriftensammlung nur wenige Jahre vorher in Venedig erschien, ist das offensichtlichste Beispiel für diese Entwicklung, das im Liber de triplici motu deutlich wird. In diesem Zusammenhang soll noch einmal auf die erhebliche Bedeutung des Buchhandels für die europäischen Universitäten verwiesen werden, der die technischen Möglichkeiten erst nutzbar machte.20 Die Mehrzahl der von Alvarus Thomas zitierten Literatur war zur Zeit der Entstehung des Liber de triplici motu bereits in gedruckter Form erhältlich, wie man in Anhang B sehen kann. Eine wichtige Ausnahme war die Introductio arithmetica von Nikomachos von Gerasa. Hier musste Alvarus Thomas – falls es sich nicht um ein Fremdzitat handelt – auf eine Handschrift zurückgegriffen haben. In Anhang B wird auch deutlich, dass Alvarus Thomas bei Autoren wie Aristoteles eine Auswahl der Editionen treffen musste, weil deren Werke so häufig verlegt wurden, während bei weniger bekannten Autoren wie Robert Holkot nur eine einzige gedruckte Edition verfügbar war. Diesbezüglich ist bei Alvarus Thomas eine Tendenz zu erkennen, jeweils die neusten, überarbeiteten Editionen zu bevorzugen. Ein gutes Beispiel neben dem Werk von Bassanus Politus ist, dass er die aus dem Griechischen übersetzte Ausgabe der Elementa des Euklid von Zamberti heranzog, statt die älteren Übersetzungen aus dem Arabischen zu nutzen, mit denen er wahrscheinlich selbst unterrichtet wurde.

Vielleicht ermöglichte auch erst der Druck der Werke der Kalkulatorentradition ab ca. 1460 die Ausstattung von Bibliotheken auch in weniger begüterten Kollegien als beispielsweise dem Collège de Navarre mit diesen Werken und verstärkte in Folge deren Rezeption. So hat das Edieren der alten Werke mittelfristig dazu geführt, dass Einführungen in die Naturphilosophie nach der Art der Oxforder Kalkulatoren entstanden und gleichzeitig die Tradition der Kalkulatoren weitergeführt wurde. In dieser Phase der Geschichte der Oxforder Kalkulatoren rückten dann einerseits die mathematischen Probleme der Quantifizierung von Qualitäten und andererseits die Systematisierung des bisherigen Wissensstands in den Vordergrund der Betrachtungen zur Bewegungslehre oxfordscher Prägung.

Fußnoten

Siehe im Anhang die Liste der von Alvarus Thomas im Liber de triplici motu verwendeten Literatur.

Vgl. Abriss, S. 266.

Sylla 1989, S. 257.

Vgl. Maier 1952, S. 257-289.

Schlage auch den Begriff latitudo im Glossar S. 117 nach.

Kirchhoff 2008, S. 713.

Vgl. die Ausführungen bei Wallace 1969, S. 225.

Siehe dazu S. 67.

Vorländer 1911, S. 331.

Vorländer 1911. Als Beispiel für shared knowledge und seinen Formen und Verflechtungen innerhalb der Geschichte der Mechanik siehe Büttner et.al. 2002, S. 3-24.

Siehe beispielsweise im Abriss S. 592.

Giesecke 1998, S. 525-27.

So auch Giesecke 1998, S. 502.

So auch Giesecke 1998, S. 512. Er versucht den Einwand aber zu marginalisieren.

Giesecke 1998, S. 595.

Siehe dazu S. 72.

Giesecke diskutiert die Vor- und Nachteile der Visualisierungsbestrebungen hier: Giesecke 1998, S. 568-575.

Vgl. Lawn 1993, S. 129-44, 148.

Der Buchhandel trug auch wiederum zur Verbreitung des Liber de triplici motu bei. So musste in den 1550er Jahren in Mexiko ein Exemplar vorhanden gewesen sein, das Alonso de la Veracruz für seine Schriften zur Verfügung stand. Vgl. Wallace 1969, S. 231.